„Exoten“ in Privathand

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Seit geraumer Zeit wird in der Öffentlichkeit zumeist unter dem Schlagwort der Haltung von „Exoten“ in Privathand auch darüber diskutiert, ob Terrarienhaltung nicht grundsätzlich fragwürdig ist. Selbst ernannte „Tierschützer“ machen keinen Hehl daraus, dass sie der Terraristik eigentlich gern den Stecker ziehen möchten, wofür sie kräftig und nicht ungeschickt politische Lobbyarbeit betreiben. Dass die DGHT hier nach Kräften dagegen hält, ist in unser aller Interesse und sollte eigentlich ein (weiterer) Grund dafür sein, nicht nur unser Hobby begeistert zu betreiben, sondern auch diesem Verein beizutreten – was übrigens mit keiner irgendwie gearteten „Vereinsmeierei“ einhergehen muss, wenn man diese (wie ich) gar nicht mag.

Die öffentlichen Debatten um die Terraristik pflegen zumeist bei Gelegenheit irgendwelcher medienwirksamen Berichten (entlaufenes Krokodil usw.) mächtig anzuschwellen. Dann wird man auch auf das Argument treffen, dass durch diese moralisch „anrüchige“, weil bloß dem individuellen, privaten Vergnügen geschuldete Entnahme von Tieren aus der Natur deren Bestände ernsthaft gefährdet würden. Dieses Argument hat erkennbar den Gesichtspunkt Artenschutz und nicht Tierschutz zum Gegenstand. Es ist aber als ein ernsthaftes Argument in meinen Augen zu vernachlässigen. Denn es gibt nur wenige in Terrarien gehaltene Tierarten, deren Bestand in der Natur durch solche Entnahmen objektiv gefährdet wäre (vgl. Wagner: Wildfänge in der Terraristik? Elaphe 2014, S. 35-42).

Für die meisten Arten ist die objektive Gefährdung hingegen auf ganz andere Faktoren zurückzuführen, die ebenfalls vom Menschen verursacht sind (aber von anderen Menschen). An erster Stelle sind hier zu nennen: der Verlust des natürlichen Lebensraumes oder dessen Verschmutzung bzw. Vergiftung durch Eintrag mit Substanzen (z.B. Hormone, Düngemittel usw.). Letzteres macht insbesondere den empfindlichen Amphibien weltweit das Leben schwer. Daneben spielt auch der Verbrauch der Tiere als Lebens- oder „Heilmittel“ eine wichtige Rolle für den Bestandsrückgang von Arten. Bezeichnenderweise werden diese vorrangig bedeutsamen Gefahrenquellen von den selbsternannten Tierschützern aber gar nicht ins Visier genommen oder nicht in einer Weise, die dem tatsächlichen Gewicht dieser Faktoren entspricht. Dies legt die Vermutung nahe, es könnte in der erhitzten Diskussion vielleicht um etwas anderes gehen. Um das Thema Gefahrenquellen und deren angemessene „Gewichtung“ einmal konkret werden zu lassen, hier ein (vermutlich nicht einmal extremes) Beispiel: Bei einer von inzwischen 16 seit 2010 aufgedeckten illegalen Lieferungen von getrockneten Tokehs beschlagnahmte man in Hong Kong Tiere mit einem Gesamtgewicht von 6,75 Tonnen. Tokehs sind 30-40 cm große asiatische Geckos, die bis in die jüngere Vergangenheit als nicht bedroht gelten konnten. Der Tokeh wurde früher von der einheimischen Bevölkerung als Glücksbringer angesehenen. Vermutlich war er gerade dadurch gewissermaßen vor Verfolgung geschützt. Seitdem sich bei vielen Menschen der Aberglaube eingenistet hat, Extrakte dieser Tiere würden gut gegen HIV und andere Widrigkeiten helfen, hat sich das Blatt aber gegen ihn gewendet. Und die gewaltige „Trockenmasse“ von Geckos bei der in Hong Kong beschlagnahmten Lieferung entsprach schätzungsweise 1,2 Millionen (!) Tieren, die also illegal der Natur entnommen waren.  Um an diesem Beispiel einmal die Relationen zu verdeutlichen, also das Thema „Gewichtung“ aufzunehmen, seien noch ein paar Zahlenspielereien hinzugefügt: Den millionenfach aus Indonesien geschmuggelten Tieren stehen legale, nämlich für den Handel mit lebenden Tokehs vorgesehene Tiere in der Stückzahl von  jährlich 50.000 gegenüber. Sie gehen überwiegend in die EU und in die USA. Um also auch nur auf denselben Schaden zu kommen, den eine illegale Lieferung von Tokehs für den „Heilmittelmarkt“ angerichtet hatte, müsste (oder könnte) man ein Vierteljahrhundert lang Lieferungen für die Terraristik abwarten! (Wobei sich in diesem Vierteljahrhundert die Population der Tokehs, wenn ihnen denn nicht von anderer Seite nachgestellt würde, üppig vermehrt hätte, so dass der Entnahmeeffekt wohl bei Null wäre). Wer sich angesichts solcher Relationen noch hinstellt und aus Artenschutzgründen gegen „Exoten“ in Privathand wettert, kann entweder nicht klar denken oder will anderen Menschen etwas vormachen, um ein anderes Süppchen zu kochen.

Für mich ist sonnenklar, dass es bei dieser aufgeregten Diskussion um etwas ganz anderes geht: der Kampf gegen die Haltung von Terrarientieren ist gewissermaßen zur Spielwiese geworden für Leute, die sich mal unter Bezug auf den Artenschutz, dann wieder unter Bezug auf den Tierschutz als „die moralisch Guten“ inszenieren wollen. Dafür braucht es natürlich auch Böse… Und zu diesem moralisch aufgeblasenen Brimborium passt dann die vermeintlich verwerfliche Entnahme von Wildtieren bloß aus (niederen) „egoistischen“ Gründen (Spaß/Unterhaltung/Selbstdarstellung). Wenn es einem hingegen wirklich um den Schutz der Arten ginge, müsste ein zielführendes Vorgehen eine ganz andere politische Ausrichtung haben. Dabei würde man sich gerade moralisch dann aber leichter „verheddern“, denn wie kommen wir im reichen und hoch entwickelten Westen eigentlich dazu, anderen Bevölkerungen das Recht abzusprechen, ihren Wohlstand zu entwickeln – was sie mutmaßlich unter ähnlich verheerenden Umständen praktizieren werden, wie „wir“ es schon längst und ebenfalls auf Kosten der Natur hinter uns haben?!

Das soll kein Plädoyer gegen weltweite Maßnahmen zum Arten- und Naturschutz sein. Im Gegenteil, diese sind mehr denn je nötig. Aber eine an der Wirklichkeit und nicht an medienwirksamen Luftnummern orientierte Debatte ist – auch ethisch-moralisch betrachtet – viel komplizierter, als es die Protagonisten eines Verbots von „Exoten“ in Privathand  erahnen lassen. Bei Lichte betrachtet, inszenieren diese Leute leider nur sich Selbst und erzeugen eine „Thermik“,  die eingängig klingt, aber nichts mit der Wirklichkeit der Artenbedrohung zu tun hat.

Dass unser Hobby in der jüngeren Vergangenheit mächtig ins Visier geraten ist (und nicht etwa die ebenfalls „Exoten“ haltenden Menschen mit ihren Wellensittichen, Kanarienvögeln oder Goldhamstern), hat aber vermutlich auch etwas mit „uns“ zu tun. Genauer gesagt, wohl mit einem bestimmten „Schlag“ von Terrarianern, bei denen ebenfalls die Selbstinszenierung einen großen Raum einnimmt, nämlich die Art und Weise prägt, wie sie ihr Hobby betreiben und darstellen, indem sie sich z.B. mit der Gefährlichkeit oder „Scheußlichkeit“ ihrer Terrarientiere schmücken (bzw. ihnen gerade vermeintlich oder tatsächlich gefährliche und „scheußliche“ Tiere so attraktiv erscheinen). Diese Sorte Terrarianer ist es dann auch nicht selten, die den unseligen Weg in die Schlagzeilen findet, weil eines der Tiere entwichen ist oder weil bei irgendeiner zwangsweisen Wohnungsbesichtigung unzählige Tiere und Behälter entdeckt und indiskutable Haltungsbedingungen angetroffen werden. Womit dann auch klar wird, dass diese Art von Problemen mit „Exoten“ in Privathand gar nicht den Artenschutz betrifft, sondern den Tierschutz, was ja nicht dasselbe ist. Wie hierzu eine griffige Forderung lauten könnte, die auch den selbsternannten Tierschützern den Wind aus den Segeln nähme, werde ich an anderer Stelle erläutern. Ich weiß dabei durchaus, dass meine Vorstellungen innerhalb der DGHT wenig Freunde finden. Aber sie sind zumindest konsequent gedacht und haben in meinen Augen zudem den Vorteil, dass sie den Tierschutz viel zielgenauer ins Visier nehmen als etwa der mit großem Tamtam (und mit Sinn für Geschäfte?) von der DGHT zu Markte getragene „Sachkundenachweis„. Wer dazu Genaueres wissen will, findet es hier.  

4 Kommentare

  1. Tierarten wirklich durch Terraristik bedroht?
    Auch der von mir so hoch geschätzte P.H. Stettler hat, wie ich heute per Zufall entdeckte, dazu schon 1986, nämlich im Vorwort zur 3. Auflage seines „Handbuch der Terrarienkunde“ eine klare Meinung, die ganz mit dem übereinstimmt, was ich mit „Gewichtung“ gemeint habe, nämlich dass die aus diversen wirtschaftlichen Motiven erzeugten Schäden mit denen durch die Terraristik nicht in einen Topf geworfen werden dürfen (siehe den zum besagten Vorwort verfassten Blogbeitrag von mir).

  2. Zu optimistische Einschätzung
    Leider gilt die Einschätzung von mir zumindest für unsere einheimischen Arten offenbar nicht so ganz, weil hier durch kriminelle Netzwerke und Hehlerei im großen Stil auch so große Mengen an Tieren (illegal) abgeschöpft werden, dass zumindest lokale Bestände darunter in die Knie gehen. Aufgedeckt wurde diese Sauerei durch das journalistische Netzwerk correctiv e.V., das auch sonst durch spektakuläre Recherchen auf sich aufmerksam gemacht hat und dessen Arbeiten ich jedem zur Kenntnisnahme empfehlen möchte.
    Zu befürchten ist natürlich, dass vergleichbare (illegale) Praktiken auch in anderen Ländern existieren, so dass die Terraristik (durch die relativ hohen Preise, die für einzelne lebende Tiere erzielt werden können) relevante Anreize für die Entnahme aus der Natur erzeugt. Gleichwohl bleibt die Grundaussage meines Beitrags gültig, nämlich dass die eigentliche Bedrohung der Arten nicht durch die Terraristik entsteht, sondern durch die anderen vom Menschen zu verantwortenden Einflüsse, allen voran die Zerstörung der Lebensräume.
    Das im Ergebnis – auch für die Justiz und insbesondere für die Behörden – beschämende Ergebnis der Recherche zur illegalen Entnahme von Wildtieren in Deutschland für deren Nutzung in Privathaushalten (überwiegend wohl Terraristik) kann hier nachgelesen werden.

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