Wildtierhaltung in Privathand: (3) Wohlergehen und Gesundheitsrisiken für das jeweilige Tier

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Der Beitrag fasst die Gedanken und Fakten zusammen, die eine international ausgewiesene Expertengruppe um den belgischen Veterinär, Pathologen und Terrarianer Prof. Frank Pasmans 2017 in der Zeitschrift Veterinary Record veröffentlicht hat (siehe als Einleitung auch hier).

Was bedeutet »Wohlergehen« bei einem in Gefangenschaft gehaltenen Tier bzw. wie lässt sich Wohlergehen sinnvoll definieren?

Diese wichtige Frage wird von den Autoren mit den fünf F’s beantwortet:

1. Freiheit von Hunger und Durst,
2. Freiheit von Unbehagen (»discomfort«),
3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit,
4. Freiheit, ein normales (artgerechtes) Verhalten zu zeigen, und
5. Freiheit von Angst und Stress (»distress«).

Das so definierte Wohlergehen der Tiere ließe sich in der Regel gewährleisten, wenn die Haltungsbedingungen hinsichtlich Ernährung, Umgebung usw. auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst seien. Bei Reptilien und Amphibien gelte insofern eine Besonderheit, als der Faktor „Interaktion mit dem Halter“ in der Regel entfalle und stattdessen dem Umgebungsfaktor (Biotop) die größte Bedeutung zukomme. Daraus folge, so die Autoren, dass Haltungsbedingungen artspezifisch formuliert werden müssen.

Neben dem Aspekt der Definition von Wohlergehen von in Gefangenschaft gehaltenen Wildtieren befassen sich die Autoren ausführlich mit gesundheitlichen Risiken von Terrarientieren und hier insbesondere mit dem Thema Ernährungsprobleme und Folgeerkrankungen, mit der tierärztlichen Versorgung sowie mit dem Handel mit Terrarientieren als Gesundheitsrisiko für diese.

Terrarienhaltung und Ernährung
Die Autoren beklagen indirekt mangelhafte politische Vorgaben für einzuhaltende Haltungsstandards bei in Privathand gehaltenen Terrarientieren, obgleich solche Standards heutzutage existierten, zum Beispiel dank der Initiative der DGHT, die im Text auch ausdrücklich lobend erwähnt wird. Dass solche staatlichen Vorgaben möglich seien, könne jeder daran ablesen, dass sie für nicht privat gehaltene Tiere (zum Beispiel Forschungslabore, Zoos) sehr wohl existierten. Es seien heutzutage auch gute Quellen zur Beschreibung von Haltungsbedingungen für jedermann leicht zugänglich, weshalb haltungsbedingte Gesundheitsprobleme eigentlich nicht auftreten sollten. Stattdessen zeigten aber zum Beispiel (unveröffentlichte) Daten aus dem tierärztlichen Zentrum für Wildtiere und Exoten in Gent (Belgien), dass insbesondere Erkrankungen der Knochenaushärtung (eine Art Osteoporose), die auf Fehlernährung und/oder einen Mangel an UV Licht zurückgehen, bei jedem fünften Reptil vorliegen.

Kritisch hingewiesen wird von den Autoren auch auf die wachsende Zahl von Terrarianern, die nicht in der DGHT oder vergleichbaren Organisationen organisiert seien und daher auch weder die dort angebotene (zertifizierte) Sachkunde erwerben würden noch sonst auf qualitätsgesicherte Informationen zur adäquaten Haltung vertrauten. Auch der bei einzelnen Tierarten beobachtbare Trend zur Züchtung bestimmter Farbvarianten, die auf dem Markt dann enorme Preise erzielten, wird von den Autoren unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsrisiken sehr kritisch gesehen. Nicht selten beruhten diese Farbvarianten auf Inzuchten mit anderweitig gesundheitlich relevanten Nachteilen für das betreffende Tier.

Schließlich wird thematisiert, dass noch viel zu selten das Bedürfnis der Terrarientiere nach einer natürlichen (»enriched and stimulating«) Umgebung gesehen werde. Die Eingeschlossenheit in einen engen Lebensraum sei als Belastungsfaktor mehr in den Blick zu nehmen. Es seien daher Tendenzen kritisch zu sehen, die die Haltung von Terrarientieren in „Boxen“ propagierten, die auf das vermeintlich Wesentliche reduziert seien. Stattdessen müsse auch die Einrichtung und Gestaltung von Terrarien daran ausgerichtet sein, den Tieren ein weitgehend normales Verhalten zu ermöglichen.

Tierärztliche Versorgung
Tierärztliche Versorgung von Reptilien und Amphibien war lange Zeit mangels Spezialkenntnissen und -ausbildung nicht verfügbar. Dies gehöre aber, so die Autoren, längst der Vergangenheit an. (Anmerkung von mir: der Arbeitskreis Tierärzte in der DGHT hat inzwischen über 500 Mitglieder und führt auch ein nach Postleitzahlen geordnetes Verzeichnis von Mitgliedern, die regelmäßig an den Tagungen teilgenommen haben und also wissen sollten, worum es bei Terrarientieren geht). Insofern bewerten die Autoren es als hoch problematisch, dass Privatleute vielfach eine tierärztliche Versorgung ihrer Terrarientiere gar nicht erst ins Auge fassten.

Handel als Gesundheitsrisiko
Trotz insgesamt nur spärlicher Berichte über gesundheitliche Probleme durch Handel mit Terrarientieren sei offensichtlich, dass diese während des Transports durch zum Teil zusammengepferchte Unterbringung unter erheblichem Stress stehen und schweren Gesundheitsrisiken ausgesetzt seien (hier u.a. wechselseitige Ansteckung). Umso wichtiger sei es, für alle Etappen der Handelskette ausreichende Qualitätsstandards zu formulieren und sicherzustellen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Wildtiere nur noch über solche zertifizierten Märkte erworben würden (Anmerkung von mir: vergleichbar mit Labels für den Holzhandel, wo auf nachhaltige Bewirtschaftung und Schonung gefährdeter Baumarten geachtet wird).

Am Beispiel des orientalischen Zwergmolches (Hypselotriton/Cynops orientalis) zeigen die Autoren, wie über viel zu niedrige Verkaufspreise eine Spirale in Gang gesetzt bzw. aufrechterhalten werde, die zur Überentnahme von Wildtieren aus der Natur führt, weil sich angesichts von Verkaufspreisen zwischen 5$ und 15$ je Tier kaum jemand die Mühe mache, diese Art nachzuziehen, obwohl dies eigentlich problemlos möglich wäre. (Anmerkung von mir: ich habe diese Molchart selbst einige Jahre gehalten und nachgezogen, und kann bestätigen, dass ich immer wieder von Kunden den Hinweis bekam, sie hätten lange vergeblich Ausschau gehalten, von dieser Art deutsche Nachzuchten zu bekommen). Der Import von Wildtieren sollte angesichts der Vielzahl von Terrarientieren, die heutzutage in Gefangenschaft erfolgreich nachgezogen werden (können), nach Ansicht der Autoren auf Ausnahmen beschränkt bleiben.

Wie schon bei dem Thema Gesundheitsrisiken für den Halter setzen die Autoren auch beim Thema Gesundheitsgefahren für das Tier die bei Terrarientieren festgestellten Befunde in eine Relation zu anderweitigen, aber vergleichbaren Tierarten in Privathand. Dabei zeigt sich, dass das Thema Gesundheitsprobleme durch Fehlernährung leider keineswegs ein besonderes Problem der Terraristik und der Haltung von „Exoten“ ist (wie es tendenziöse Berichte in den Medien glauben machen). So grassiere bei Hunden und Katzen (in den USA) Übergewicht als ein vorrangiges Problem, dass bei mehr als der Hälfte (!) dieser Haustiere vorliege (und naturgemäß diverse gesundheitliche Folgeprobleme nach sich zieht). Auch gingen Schätzungen wiederum für die USA davon aus, dass 25 % bis 50 % aller Hunde und Katzen nie einen Tierarzt zu Gesicht bekämen. Auch Vernachlässigung sei ein leider bekanntes Problem insbesondere für die (in dieser Hinsicht anspruchsvollen) Hunde.

Das Fazit der Autoren lautet daher auch hier, dass Terrarientiere, so sehr sie auch „Exoten“ sein mögen, im Hinblick auf Gesundheitsgefährung keine Sonderstellung unter den Haustieren innehaben.

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