Der Beitrag fasst die Gedanken und Fakten zusammen, die eine international ausgewiesene Expertengruppe um den belgischen Veterinär, Pathologen und Terrarianer Prof. Frank Pasmans 2017 in der Zeitschrift Veterinary Record veröffentlicht hat (siehe als Einleitung auch hier).
Am Schluss der lesenswerten und für unser Hobby so überaus wichtigen Übersichtsarbeit befassen sich die Autoren mit Maßnahmen zur Begrenzung der Risiken, die mit der Terraristik direkt oder indirekt verbundenen sind. Hierbei unterscheiden sie zwischen bereits umgesetzten bzw. in einzelnen Ländern der EU praktizierten Maßnahmen und ihren eigenen Vorschlägen.
Maßnahmen zur Risikominimierung in Europa
Der Fokus von politisch beschlossenen Restriktionen liege primär auf sogenannten gefährlichen Tierarten, hier vor allem Giftschlangen. Auch Nachweise würden in einigen Ländern als Maßnahmen gesehen. So sei in Frankreich seit 2004 ein verbindlicher Kompetenznachweis („proof of aptitude“) erforderlich. In Deutschland werde dagegen auf freiwillige Kenntniszertifikate („Sachkundenachweis„) gesetzt. Manche Staaten hätten unter dem Eindruck der ausufernden Bedrohungslage für Amphibien ein Einfuhrverbot für Molche und Salamander erlassen (Schweiz, Kanada, USA), um die heimischen Bestände vor Bsal zu schützen.
In den meisten Ländern würden CITES-Beschränkungen sowie Mindeststandards für den Handel gelten und manche Länder hätten artspezifische Beschränkungen eingeführt (Positivlisten seien in Belgien im Gespräch, Negativlisten würden in Norwegen gelten). Positivlisten definieren jene Tierarten, die in Privathand gehalten werden dürfen, Negativlisten solche Tierarten, die für die private Tierhaltung untersagt sind.
Als gravierendes Problem der derzeitigen Gesetzgebung sowie der in Diskussion befindlichen Regelungen beklagen die Autoren, dass die Maßnahmen oftmals erkennbar unter dem Einfluss einzelner Lobbygruppen verfasst seien, anstatt auf einer rationalen, durch Fakten gestützten („evidence-based“) Risikoanalyse zu beruhen. »Wenn Beschränkungen für die Haltung von bestimmten Tierarten formuliert werden, dann sollten Sie auf einer Risikoanalyse beruhen sowie auf einer Abwägung von Kosten und Nutzen«. Hierbei seien die Gesichtspunkte Gesundheit und Wohlbefinden für den Menschen und für das jeweilige Haustier sowie die Implikationen der Haltung für die Natur in Betracht zu ziehen. Gerade in der zumeist emotional geführten „Verbote-Diskussion“ scheint mir ihr Hinweis wichtig, dass »der Grad der akzeptierten Risiken zwischen den verschiedenen Tierarten verhältnismäßig und vergleichbar« sein müsse. So sei es für gesetzliche Regelungen inakzeptabel, dass die Gefahren durch gefährliche Hunde im Vergleich zu Giftschlangen unterbewertet würden, nur weil Letztere in der Öffentlichkeit mehr angstbesetzt seien und Lobbygruppen mit unterschiedlichem Gewicht für die Aufrechterhaltung solcher Fehleinschätzungen sorgten.
Für eine Verbotsliste, die sie gerne auf europäischer Ebene formuliert sehen würden, sei es zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu früh bzw. es lägen solchermaßen rational begründete Risikoanalysen und -profile noch nicht vor.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung der Autoren
Die sorgfältige Analyse der unterschiedlichen Dimensionen und Implikationen unseres Hobbies zeige, so die Autoren, dass mit der Terraristik – genauso wie mit der Haltung gewöhnlicherer Haustiere – Vorteile verbunden seien, aber auch ernst zu nehmende Nachteile. Sie sehen aber keine unverhältnismäßige Häufung von Risiken bei der Terraristik im Vergleich zu anderen Haustieren. Deshalb sei eine selektive Beschränkung in ihren Augen unangemessen bzw. unverhältnismäßig. Gleichwohl seien die Risiken und Nachteile schwerwiegend genug, um Forderungen an die Praxis der Terraristik zu stellen:
1. Mindeststandards für die Haltung sollten für jede einzelne Art formuliert und gut zugänglich sein;
2. eine ausreichende Ausbildung der Privatpersonen sollte (zertifiziert) gewährleistet werden: »die Haltung sowohl exotischer als auch nicht exotischer Haustiere sollte ein überprüfbares („demonstrable“) Maß an Wissen und Können zur Voraussetzung haben«;
3. Mindeststandards der Hygiene und insbesondere der Quarantäne sollten zum Schutz vor Eintrag von Krankheitserregern in die Umgebung etabliert werden;
4. der Handel mit Nachzuchttieren sollte gefördert werden, ebenso die Sicherstellung einer nachhaltigen Wildtierentnahme, die also keine Gefährdung der jeweiligen Populationen bedeutet. Dazu gehöre ebenfalls, die bisherigen „Schlupflöcher“ zu schließen, über die illegale Entnahmen als legal vermarktete Ware in den europäischen Tierhandel gelangten;
5. tierärztliche Versorgung sollte für jede Tierart gestärkt werden. Hierzu gehöre die weitere Verbreitung des bereits vorhandenen Spezialistenwissens durch curriculare Weiterbildungen sowie das Veröffentlichung und die Verbreitung von Listen mit Tierärzten, die über entsprechende Kenntnisse und Kompetenzen verfügten.
[Ich habe etwas später einen Beitrag hier eingestellt, der meine eigenen Schlussfolgerungen aus diesem wertvollen Aufsatz zur Diskussion stellt. Diese unterscheiden sich sowohl von denen der Autoren als auch im Besonderen von den – in meinen Augen viel zu laxen – Vorstellungen und Positionen der DGHT. Siehe bei Interesse hier]
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