Der folgende Blogbeitrag fasst die Ergebnisse aus unterschiedlichen Quellen zusammen. Auf sie wird durch eine in Klammern gesetzte Zahl verwiesen. Die Quellen sind am Ende dieses Beitrags aufgelistet.
In diesem zweiten Teil zur Giftigkeit von Molchen (Feuerbauchmolche, Notophthalmus, Taricha) geht es um die Frage der inneren Resistenz gegen Tetradotoxin (TTX) sowie um die Giftigkeit als Schutz vor Fressfeinden. Auf TTX als Gift wurde am Schluss des ersten Teils bereits hingewiesen. Prof. Mebs, dessen Artikel für diese beiden Blogbeiträge die wesentliche Grundlage bilden, wird zur Giftpotenz des TTX in der Zeitung DIE WELT einmal mit den Worten zitiert, dass Zyankali im Vergleich zu TTX „harmlos“ sei (1). Das sagt eigentlich schon alles.
Zur inneren Resistenz gegen TTX
Worum es bei der hier etwas salopp „innere Resistenz“ genannten Fähigkeit der Molche geht, hat Prof. Mebs anschaulich in seinem Beitrag zur Giftigkeit asiatischer Molche (2) festgestellt: „Voraussetzung, um sich nicht selbst zu vergiften, ist allerdings, dass die betreffenden Molche und auch alle anderen Tiere, die Tetrodotoxin enthalten, diesem Toxin gegenüber resistent sind“ (S.12; Hv. durch mich). Diese Unempfindlichkeit gegenüber dem eigenen Gift beruht nach Prof. Mebs darauf, dass die Molche „in ihrem Nervensystem den Ionenkanal in seiner Struktur derart modifiziert (haben), dass das Toxin dort nicht mehr andocken kann. Dies hat sich in Untersuchungen an nordamerikanischen Molchen (Taricha, Notophthalmus) aber auch an P. labiatus und C. pyrrhogaster bestätigt. Die beiden letztgenannten Arten werden zu den ‚modernen‘ asiatischen Molchen gezählt und haben diese Eigenschaft im Laufe der Evolution erworben, während ursprüngliche sog. ‚primitive‘ Arten wie Tylototriton shanjing Tetrodotoxin gegenüber hochempfindlich reagieren“ (S. 12). Allerdings, so schreibt er auf derselben Seite weiter, „Toxizität ist zwar eine wichtige Verteidigungsstrategie, doch es gibt immer wieder Belege dafür, dass Prädatoren diese überwinden“ – was direkt zu der nächsten, hier behandelten Frage überleitet.
Wer giftig ist, ist gut geschützt – aber vielleicht nicht komplett
In weiteren Untersuchungen befasste sich Prof. Mebs mit der Frage, wie gut das eigentlich hochgradig toxische TTX die Molche davor schützt, von anderen Tieren gefressen zu werden. Und „gefressen werden“ ist hier gemeint als nicht bloß zufälliges Fressen einzelner Exemplare (an denen das fressende Tiere womöglich in kürzester Zeit selbst verendet, weil es das Tier nur zufällig erbeutet hatte und dessen Giftigkeit gar nicht kannte), sondern es geht hier um eine typische Opfer-Fressfeind-Beziehung, wie es mit dem Begriff des Prädators angezeigt wird, bei dem es zur gezielt Auswahl bestimmter Tierarten als Futter/Beute kommt.
Hier zeigt sich für nordamerikanische Molche, dass der TTX-Schirm gewissermaßen löchrig ist, weil es einzelne Tierarten gibt, die sich von dem Gift systematisch nicht abschrecken lassen (siehe unten). Für die asiatischen Feuerbauchmolche ist hingegen noch gar nichts Genaues über deren eventuelle, natürliche Fressfeinde bekannt (2).
Bei den erfolgreichen Fressfeinden nordamerikanischer Molche steht die Strumpfbandnatter obenan. Hier zeigt sich sogar eine gewisse Wechselbeziehung zwischen Immunität des Jägers gegen TTX und der (regionalen) Giftigkeit des Opfers: „Schlange und Molch liefern sich einen Rüstungswettlauf: Je giftiger die Beute Molch ist, desto resistenter sind die Schlangen dem Toxin gegenüber. Folgerichtig sind in Gebieten mit Molchen, die kaum oder gar nicht giftig sind, die Schlangen nur in geringem Umfang oder überhaupt nicht giftig“ (3; S. 16). Dass das Argument des „Rüstungswettlaufs“ nur bedingt zu gelten scheint, konnte Prof. Mebs allerdings an giftigen/ungiftigen Exemplaren der Art Taricha granulosa aus dem südlichen Alaska zeigen (4). Er sieht daher „die Hypothese vom evolutionären Rüstungswettlauf (…) eher kritisch“ (S. 30).
Aber sogar Wirbellose gehören zu Prädatoren von Molchen und haben Wege gefunden, mit dem in ihren Opfern enthaltenen Toxin umzugehen. So zeigt Mebs in seinem Artikel über Fressfeinde giftiger Molche ein Foto einer Gottesanbeterin (Tenodera sinensis), die einen ausgewachsenen, lebenden Notophthalmus viridescens verzehrt (3; S. 15). Genauere Untersuchungen an Mantiden-Arten hätten ergeben, dass sich das Gift zwar „immunhistochemisch im Mitteldarm nachweisen“ lasse, dass es „aber offensichtlich nicht die Membran der Darmzellen (passiert). Es erreicht somit nicht das Nervensystem des Insekts, das nach wie vor empfindlich auf das Toxin reagiert“ (3; S. 16).
Auch Vögel können, selbst wenn sie weiterhin sensibel auf TTX reagieren, sich also vor dem Gift in acht nehmen müssen, dennoch zu gefährlichen Fressfeinden werden, vorausgesetzt sie stellen es „intelligent genug“ an. So wird in dem lesenswerten Text zum Verhalten von N.v. in der Natur auf amphibia.web unter anderem erwähnt, dass man vielfach geköpfte Molche gefunden habe und hier Krähen im Verdacht stehen. (Von den giftigen Kröten, die durch Siedler in Australien eingeschleppt wurden und im dortigen Biotop durch ihre Giftigkeit große Schäden anrichten, ist mir übrigens dasselbe geläufig: dort haben ebenfalls Krähen, die bekanntlich zu den recht intelligenten Vögeln zählen, spitz gekriegt, dass die Innereien der Kröten ungiftig sind und man sich nur vor deren Rücken und den dort platzieren Giftdrüsen in acht zu nehmen hat. Ergebnis: zahlreiche tote Kröten, die offenbar auf den Rücken geworfen wurden und die von Krähen auf der ungeschützten Unterseite ausgeweidet wurden!)
Einen weiteren Aspekt der Resistenz untersuchte Prof. Mebs an Parasiten von giftigen Molchen. Denn ebenso wie potentielle Fressfeinde müssen ja auch Parasiten irgendeine Strategie gefunden haben, mit dem Gift umzugehen, auf das sie in den giftigen Molchen treffen (sofern das TTX die Molche nicht komplett gegen Parasiten schützt). Hier ergaben Untersuchungen wiederum an Notophthalmus viridescens, dass bei den Parasiten genau wie bei den Fressfeinden einzelne Arten Wege gefunden haben, sich von dem hoch potenten Gift nicht beeindrucken zu lassen (5). Hierbei ging es vor allem um Cestoden, Nematoden und Trematoden.
Weiterhin ungeklärt ist die Frage „nach dem eigentlichen Produzenten des Toxins“ (4; S. 31), da die Molche TTX offensichtlich nicht selbst herstellen können.
Was heißt das alles für unser Hobby?
Für Halter von Feuerbauchmolchen und von den hier erwähnten nordamerikanischen Molchen lautet das auf das Praktische bezogene Fazit meines Erachtens:
1. Wer Wildfänge hält oder nicht ausschließen kann, dass die erworbenen Tiere Wildfänge sind, muss davon ausgehen, dass sie (ggf. sehr) giftig sind;
2. Nachzuchten, auch die eigenen, sind ziemlich sicher ungiftig;
3. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass jemand die eigenen Molche (oder deren Eier) für den Verzehr benutzt, aber es könnte bei der – nicht empfohlenen – Haltung unterschiedlicher Molcharten im selben Becken sehr wohl dazu kommen, dass abgelaichte Eier von diesen anderen Molchen gefressen werden. Mindestens für Hypselotriton orientalis konnte gezeigt werden, dass die Eier giftiger Elterntiere selbst giftig sind (6), so dass diese „Mahlzeit“ für andere Molche dann tödlich enden könnte.
Für den Beitrag verwendete Quellen:
(1) Mebs in DIE WELT vom 5.10.2016 Forensiker Dietrich Mebs lässt die Giftforschung nicht los.
(2) Mebs (2017) Asiatische Molche, giftig oder nicht? AMPHIBIA Vol. 16(2); S. 12-13.
(3) Mebs (2018) Wer frisst giftige Molche? AMPHIBIA Vol. 17(2); S. 15-17.
(4) Mebs (2019) Taricha granulosa aus dem südlichen Alaska, giftig oder nicht? AMPHIBIA Vol. 18; S. 27-31.
(5) Mebs (2020) Giftigkeit schützt Molche nicht vor Parasiten. AMPHIBIA Vol. 19(2); S. 4-8.
(6) Mebs & Yotsu-Yamashita (2021) Acquiring toxicity of a newt, Cynops orientalis. TOXICON Vol. 198; S. 32-35.